Über den Wert der Philosophie in heutiger Zeit

Philosophie, das ist nicht, wie viele glauben, das Herumphantasieren im luftleeren Raum, sondern eine Praxis. Heutzutage besteht Philosophie darin, an den falschen Dogmen zu rütteln, in denen wir alle sozialisiert sind, und eine neue, freie und frische Sicht zu erkämpfen. Den Müll rauswerfen, das Nichtwissen ertragen, und dann wird sich schon etwas einstellen.

Die Sicht des Menschen auf die Welt ändert sich, ohne dass wir das steuern können. Die Philosophen gehören – mit den Schriftstellern und Künstlern – zu den feinsten Seismographen für das aufkeimende Neue, und winden sich zuweilen in Krämpfen, um das neue Kind zu gebären, in dem das kommende Zeitalter verwirklicht ist. (Ich meine echte Philosophen, nicht solche, die mit 30 Jahren schon auf alles eine Antwort haben).

Deshalb finde die große Philosophie immer nur in Zeiten des Umbruchs statt, wenn ein neues Weltverhältnis sich Bahn brechen will.

Der echte Philosoph kann das aber nicht vom Katheder aus erledigen, sondern er muss diese Transformation, die er gleichermaßen erarbeitet und erleidet, am eigenen Leib erfahren. Er muss mit seinem ganzen Wesen aus dem Alten in das Neue übertreten. Er muss sozusagen neue Augen kriegen und von vorne anfangen.

Einer der schwierigsten Aspekte dabei ist das Loslassen der alten Gewissheiten. Und dabei ist wiederum das Schwierigste, zu erkennen, welche Gewissheiten man überhaupt hat. Im Unterschied zu den alten Griechen, welche in der Philosophie Neuland betraten, sind wir bereits bis zum Rand angefüllt mit Schwachsinn, bevor wir mit dem selbständigen Denken überhaupt anfangen können. Daher ist die Arbeit der heutigen Philosophen zu einem großen Teil das Erkennen und Rausräumen des Schrotts, der den Blick verstellt.

Ein neues Zeitalter quillt auf wie die Maiglöckchen auf der Wiese. Es wird nicht „gemacht“ von Menschen. Es ist eher so, dass es sich als erstes in einigen begabten Menschen manifestiert. Ob diese Nikolaus Kopernikus, Martin Luther, Johannes Gutenberg oder Thomas Hobbes hießen, ist später unerheblich.

(Ein besonderer Fall ist hier übrigens Nietzsche. Dieser hellsichtige Mann abhorreszierte gleichermaßen die keimende Zukunft des leeren Menschen wie die Vergangenheit unter der Knute der Religion. Er sah in beide Richtungen sehr scharf. Seine Reaktion war eine Art von Um-Sich-Prügeln, das ihn letzten Endes selbst überfordert hat. )
















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