Der unbekannte Gott und das unentschlüsselbare Universum

Wenn das Universum komplett unverständlich ist für unseren Verstand, und wir Menschen, ganz gleich dem Wurm oder der Aster nur Auswürfe seiner ewig sprudelnden Kreativität sind, dann müssen wir das erst einmal so aushalten.

Dann ist da kein Gott, dessen Abbild wir sind, also keine Person, zu der wir beten können und die in unser Herz blickt. Es ist dann auch keine Person da, die uns Gesetze macht, noch eine, die uns Strafen androht, falls wir den Gehorsam verweigern. Und dennoch finden wir in uns den moralischen Sinn vor, der für Kant zum größten Anlass des Staunens wurde.

Wenn Menschen anfangen, sich Fragen zu stellen, dann verstricken sie sich gerne im Netz ihres Verstandes, der sie dazu verleitet, Personen hinter dem Geschehen zu vermuten, wie es die alten Mythologien getan haben, die auch jede Krankheit den Einwirkungen von Dämonen zugeschrieben haben. Man entwickelt Religionen, in denen man sich höheren Kräften unterwirft, anbetet und sie um Gnade anbettelt. Eine andere Variante ist, sich das Universum als eine Art kausale Maschine vorzustellen, die sich ausrechnen lässt und letzten Endes der Beherrschung unterworfen werden kann. Das ist die westliche moderne Variante. Es gibt weitere, wie etwa den Konfuzianismus und so fort. Und es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass damit das Spektrum ausgereizt ist. Die Menschheit ist gut imstande, immer neue Varianten der Weltdeutung zu erfinden, die sie abhält, sich vor das Unbekannte zu stellen, ohne  eine tröstliche oder puffernde Geschichte dazwischen zu schieben.

Die Sprache und der Verstand sind zwei Institute, die wir Menschen stets einsetzen, um der Begegnung mit dem Unbekannten auszuweichen.

Der legendäre Satz von Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, ist genau deswegen so spektakulär, weil er sich damit mit der ganzen Person dem Unbekannten ausgesetzt hat. Der Satz meinte natürlich: Ich weiß nichts über den Kosmos selbst, aber dennoch habe ich verstanden, dass die Meinungen der Menschen, die ein Wissen behaupten, sämtlich Schaum und Unfug sind.

Die Einsicht in das Nichtwissen  (zu unterscheiden vom bloßen Aufsagen des Satzes) versetzt einen in einen höheren Modus der Aufmerksamkeit und der Wahrnehmungsfähigkeit.

Lassen wir die Vorstellung zu, dass das Universum unpersönlich aber dennoch schöpferisch ist, wie es unsere eigene Existenz und die Natur um uns herum aufdrängt, dann gerät sowohl der materialistisch-naturwissenschaftlich geprägte als auch der christlich geprägte Verstand – welche sich sogar oft noch im gleichen Schädel treffen – in eine Krise.

Dann ist auch Schicksal (ich liebe dieses deutsche Wort), was bislang entweder als Lohn oder Strafaktion Gottes oder aber als Mumpitz (denn alles sei Zufall) betrachtet wurde, wieder eine Realität. Womit wir übrigens wieder bei den alten Stoikern gelandet sind. (Aber das nur am Rande).

Ein kreatives Universum, das unpersönlicher Natur ist, das sich auf keine Person zurückführen lässt wie einen Gott, das uns dennoch geschaffen hat, das uns ein Schicksal bereitet, das oft geradezu magisch gelenkt wird, ohne einen Bezug zu Moral oder Verdienst, das uns dennoch einen moralischen Sinn eingepflanzt hat: Das heißt, das Undenkbare aushalten.   




















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