Das Thema Auferstehung ist einerseits ein zentrales Motiv des christlichen Glaubens, andererseits schleichen moderne Theologen darum herum wie die Katze um den heißen Brei.

Die Tage des frühen Christentums, als man kraftvoll und fröhlich ins Martyrium ging, weil man des festen Glaubens war, dass der Tod einem nichts anhaben könne, wenn man dem auferstandenen Christus nur fest genug anhinge, sind vorüber. Aber es ist gar nicht mal so lange her.

Der Streit um die doppelte Prädestination zwischen den Lutheranern und den Reformierten zum Beispiel ist gar nicht denkbar ohne beider Parteien festen Glauben an das ewige Leben bei Gott nach dem Tod.

Erst in den letzten Jahrzehnten begannen die Theologen hier zu schwächeln, denn zu monströs kollidiert die Doktrin von Auferstehung und ewigem Leben mit dem aktuellen metaphysischen Grundton in den westlichen Gesellschaften. Wer wissenschaftlich einigermaßen auf der Höhe ist, aber gleichzeitig am christlichen Glauben festhalten möchte, der hat es schwer. Er findet sich zerrissen zwischen zwei inkompatiblen metaphysischen Weltinterpretationen: einer mythologischen, die noch keine strengen Naturgesetze kennt, weshalb in der Wahrnehmung der Natur recht unscharf ist und angefüllt werden kann mit Teufeln, Dämonen und Wundern. Damit streitet eine Art Maschinentheorie der Welt namens Materialismus oder wissenschaftlicher Naturalismus, für den das mythologische Drama um Sünde und Vergebung, Verdammnis und Erlösung durch die Sühnetat des Gottessohns samt Eröffnung des Wegs zur ewigen Seligkeit einen Nonsens aus dem Märchenreich darstellt.

Dabei gilt wohl folgendes: Das zentrale Thema jeglicher Religion ist der Tod, nämlich der eigene. Wird der Bezug auf den realen Tod in der Religion verwässert oder gar unter den Tisch fallen gelassen, weil die entsprechende mythische Erzählung irgendwie peinlich oder „nicht mehr zeitgemäß“ oder sonstwie unannehmbar geworden ist, dann geht die Religion zugrunde. Man stuft sich dann herab zu einer bloßen Morallehre, zu einem Verein des freundlichen Miteinanders (im Falle des Christentums zumindest), aber eine Kirche wird nicht mehr gebaut werden, geschweige denn eine Kathedrale.

Nach der Durchsicht von einem Stapel dogmatischer Lehrbücher des 20. Jhd. zeigt sich, dass jeder Theologe sich die Deutung der Auferstehung sich irgendwie individuell zurecht legt. Auf Deutsch: Sie ringen alle damit,  haben aber qua Theologen die Aufgabe, das Evangelium auszulegen und zu verkündigen. Ich erinnere daran: Theologien haben am Heiligen Text nichts zu kritisieren oder zu berichtigen, sondern sind nur zur Auslegung der Offenbarung zugelassen.

Unsereiner wird sich nicht in theologische Kämpfe und spitzfindige und wortreiche Argumentationen verwickeln lassen. Meine Perspektive ist die kulturhistorische, und die bringt ganz klar zutage, dass bis in die frühe Neuzeit hinein die christliche Mythologie im Wortsinn in Kraft war. Das ist ja gerade der Inhalt des Begriffs Neuzeit, dass dieses mythologische Weltbild an Kraft verlor und Platz machen musste für ein Projekt, das sich aufmachte, die gesamte Welt aus den Prinzipien der Mechanik, später der umfassenderen physikalischen Objekte zu verstehen und zu rekonstruieren. Was natürlich nicht gelingt.

Es erweist sich auch, dass eine solche Metaphysik jenseits ihres Nutzens für die Konstruktion technischer Geräte leer ist. Das was die Religion geleistet hat an Sinnstiftung, Trost und Hoffnung, und an Vermittlung mit der menschlichen Sterblichkeit: Das ist dem Materialismus auf immer fremd. Jacques Monod hat Ende der 60er Jahre eine radikale Zusammenfassung der menschlichen Existenz als sinnloses Zufallsaggregat irgendwo am Rande des Universums gezeichnet. Das ist die konsequente Folgerung aus der materialistischen Betrachtungsweise.

Wenn der Gedanke der Auferstehung für uns nicht mehr denkbar ist, weil wir zutiefst imprägniert sind vom Materialismus, in dem so etwas unmöglich erscheint, dieser aber nur eine ödes und sinnloses Dasein als letzten Deutungshorizont der menschlichen Existenz anbieten kann, dann haben die christlichen Kirchen ein ernsthaftes Problem. Nicht, weil sie Religion repräsentieren, sondern weil die Mysterien, die Mythen, in denen sich die Erzählung zuträgt, und der wir schließlich unser gesamtes Dasein überantworten sollen, für das moderne Bewusstsein eine Überforderung, wenn nicht eine Zumutung darstellt.

Umso schlimmer für das moderne Bewusstsein, kann man dazu auch sagen, dass es nicht mehr empfänglich ist für Geheimnis und Mysterium.

Gibt es in der derzeitigen Lage eine Lösung für die Vermittlung zwischen Religion und Moderne, die nicht nur darin besteht, dass sich jeder irgendwie ein eigenes Süppchen zusammenrührt aus Versatzstücken der christlichen Religion oder anderen Lehren, gut gemischt mit dem allseits herrschen westlichen Materialismus, der die Wolle tief eingefärbt hat? Ich glaube nicht. Die Lösung liegt nicht in der unmöglichen Vermittlung vergangener Metaphysiken (ich sehe den Materialismus auch als untergehende Metaphysik), sondern in der Entwicklung komplett neuer bzw. im Westen noch nicht verwendeter Metaphysik. Wir müssen uns langsam was einfallen lassen. 


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