Es ist fast 35 Jahre her, dass ich in ganz andere Kreise geriet. Es waren Handwerker, die im Messebau arbeiteten, aber eigentlich aus ganz anderen Berufen stammten, denn Messebau war damals noch kein eigener Beruf. Also Schlosser, Dreher, Schreiner, Zimmermänner und so weiter. Oft hockten wir bei einem von ihnen nach der Arbeit um das Lagerfeuer und tranken Bier (Augustiner). Da fiel mir auf, dass diese Leute kein anderes Thema hatten als Sachen. Sachen herstellen, reparieren oder manipulieren. Ich war ziemlich verblüfft, als mir das bewusst wurde. Weil es mir so fremd ist. Es waren und sind gute Männer und mit einigen von ihnen bin ich immer noch befreundet.

Einmal, ich glaube wir waren zu fünft und saßen wieder am Feuer, da trug ich aus einer Laune heraus das Gedicht „Ballade des äußeren Lebens“ von Hugo von Hofmannsthal vor.

Die Burschen waren völlig ergriffen. Ich musste es noch zwei Mal wiederholen.

Aha, dachte ich. Hinter eurem Sachenkram gibt es doch noch eine andere Ebene. Es ist nur so, dass ihr sie ignoriert.

Hier ist das Gedicht:

Ballade des äußeren Lebens (Hugo von Hofmannstal)     

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
und fallen nachts wie tote Vögel nieder
und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
vernehmen wir und reden viele Worte
und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
und drohende, und totenhaft verdorrte…

Wozu sind diese aufgebaut? Und gleichen
einander nie? Und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
die wir doch groß und ewig einsam sind
und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommt‘s, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt,
ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt
wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.


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