Um mal wegzukommen von dem alltäglichen Wahnsinn, der das Land im Zangengriff hält, hier was anderes zu Abwechslung: Moderne Kunst. Ich gebe zu, bis auf wenige Ausnahmen mag ich sie nicht. Das heißt aber nicht, dass ich sie nicht gut kenne. Ich habe mich ausgiebig mit ihr befasst, bin oft im Haus der Kunst, der späteren Pinakothek der Moderne in München gewesen, habe dort beflissen die Ausstellungen von Mark Rothko, Ellsworth Kelly oder Cy Twombly und vielen Konsorten besucht und einen Stapel dicker bebilderter Wälzer zum Thema durchstudiert.

Die moderne Kunst, inzwischen weit über hundert Jahre alt, hat selbst in sich eigentlich keine weitere Geschichte im Sinne einer Entwicklung mehr. Vielmehr zerfällt sie in einzelne „Projekte“, innerhalb deren die Vertreter gern aufeinander Bezug nehmen. Dort versuchen sie oft, sich an Radikalität gegenseitig zu übertreffen und die Dinge bis zum Äußersten zu treiben. Dabei hatte Kasimir Malewitsch mit dem Schwarzen Quadrat (1920) eigentlich schon den Endpunkt gesetzt.

Im Folgenden stelle ich mal sechs Thesen in den Raum, welche mein persönliches Fazit in Sachen Moderne Kunst darstellen. Gemeint ist hier vor allem die Malerei („Flachware“), aber es gilt im Wesentlichen auch für Skulpturen, Objekte, Installationen, Video etc., obwohl ich mich dort nicht so gut auskenne.

Natürlich sind die Thesen pauschalisierend, und es wird immer Ausnahmen geben, die ich zum Teil kenne, zum Teil nicht.

Erstens:   Worum geht es in der Modernen Kunst? Antwort: Um sie selbst und um das Ego des Künstlers. Mit anderen Worten: Sie hat im Wesentlichen keinen Inhalt. Es geht also letzten Endes um Nichts. Hat der Künstler eine Botschaft („Rassismus ist schlecht“, „Friede Freude, Eierkuchen“) dann wird er es dich ziemlich plakativ wissen lassen. Im andern Fall macht er einfach Irgendwas, wie spielende kleine Kinder. Nun ist gegen Kinderspiele zwar nichts einzuwenden, sie verdienen aber auch keine große Aufmerksamkeit oder gar Verehrung. Wenn Künstler versuchen, die innere Kontrolle rauszunehmen und einfach Irgendwas machen, dann lassen sie dich zuweilen – freiwillig oder unfreiwillig – tief in ihre Seelen blicken. Das ist oftmals ziemlich erschreckend. Was moderne Künstler dabei in großem Umfang offenbaren ist Monotonie, Leere, Chaos, Obsession oder gar Psychose.

Dass es um Nichts geht, lässt sich übrigens auch dadurch belegen, dass man die einschlägigen Darstellungen, also zum Beispiel die fetten Schmöker zur Geschichte der Modernen Kunst liest. NIE wird dort auf die Frage eingegangen, was es mit den Stilen eigentlich auf sich hat. Beispielsweise hat Jasper Johns sich darauf beschränkt, die amerikanische Flagge und kreisrunde Zielscheiben zu malen. Und nun? Wie gesagt: Es geht um nichts.   

Ich habe bis zum heutigen Tag noch niemanden getroffen, weder im Leben noch in der Literatur, der das Wesen der klassischen Malerei wirklich erfasst hat und gleichzeitig ein Verehrer der Kunst der Moderne wäre. Im Gegenteil, jeder, der da glaubt, dies sei das gleiche Projekt, der hat die klassische Kunst nicht verstanden. Er glaubt, es wäre dort darum gegangen, Gegenstände oder Szenen möglichst hübsch abzubilden. Das ist aber so nicht der Fall, ich kann hier jedoch nicht darauf eingehen, denn es nicht das Thema.

These Nummer Zwei:  Es gibt keine intrinsische Qualität in den Werken der Moderne. Das unterscheidet sie von der klassischen Kunst. Natürlich hat der Satz seine Ausnahmen (Picasso und einige andere) aber er trifft im Wesentlichen zu. Das bedeutet, dass es einem Werk nicht anzusehen ist, ob es sich um ein Kunstwerk handelt, oder gar, ob es ein gutes Kunstwerk ist. Vielmehr sind das Zuschreibungen von außen. Moderne Kunst hat damit gewissermaßen den Charakter einer Währung: Wenn genügend relevante Marktteilnehmer ihre Zustimmung geben, dann hat das Werk einen Wert. Das ist allerdings ein Marktgeschehen, das der Malerei äußerlich ist, und das eigenen Interessen geschuldet ist.

These Nummer drei: Individuelle ästhetische Grammatik. Die Moderne Kunst hat ein kritisches bis negatives Verhältnis zum Schönen eingenommen. Das Schöne gilt ihr als glatt und oberflächlich, wenn nicht gar kitschig. In den letzten hundert Jahren ist in der Kunst keine schöne Frau, kein schöner menschlicher Körper mehr dargestellt worden, es sei denn als Zitat oder in einem Umfeld der Entfremdung, aber nicht um ihrer selbst willen. Auf dem Schönen im klassischen Sinne des Wahren, Schönen und Guten lastet ein Tabu. Stattdessen sucht man nach alternativer Ästhetik, einige versuchen sich an einer persönlichen, eigenen ästhetischen Grammatik, aber das geht langfristig immer schief. Man kann sich durchaus mal für einige Augenblicke eine verkrampfte Designerbrille aufsetzen, und in einem Gemälde von Willem De Kooning Ästhetisches entdecken, aber das hat weder Substanz noch Bestand. Kurz: Es gibt keine private Ästhetik in der Kunst. Ästhetik ist kollektiv und ihre Grammatik entnehmen wir der Natur. Anstalten, eine private Ästhetik gegen die natürliche Ästhetik zu installieren, scheitern zwangsläufig. Die Geschichte wird es erweisen. Meine Prognose lautet, dass die Kunst des zwanzigsten Jahrhundert bis auf heute dereinst im großen Stil entsorgt werden wird und nur als Dokument der tiefen existentiellen Gestörtheit dieser ganzen Epoche überliefert wird.

These Nummer vier: Die These von der Substanzlosigkeit der Modernen Kunst wird durch nichts besser belegt als durch die Selbstäußerungen der Künstler.

Es gibt eine Reihe von Sammlungen solcher Äußerungen, zum Beispiel in dem dicken zweibändigen Sammelwerk „Kunsttheorie des 20. Jahrhundert“. Hier kommen etliche maßgebliche Künstler in Briefen, Interviews, Pamphleten, Bekenntnissen, Manifesten etc. zu Wort und das Bild, das sie abgeben, ist erschütternd. Angesichts solcher Dokumente erübrigt sich jede weitere Frage der Art von: „Was will uns der Künstler damit sagen?“ Wie in These eins schon behauptet: Er will uns nichts sagen denn er hat nichts zu sagen. Im besten Fall legt er seine traurige Seele bloß.

These Nummer fünf: Frage: Woher hat die Moderne Kunst ihr hohes kulturelles Ansehen? Antwort: Sie hat es durch geschickte Public Relation und Marketing usurpiert von der klassischen Kunst, der gegenüber sie als Fortschritt und Nachfolger verkauft wurde. Oft wurde in der Szene der Mythos, das Narrativ des Fortschritts  bemüht, um das Emporsteigen der vergeistigten Kunst der Abstrakten abzugrenzen gegenüber den vorgestrigen schlichten Abmalern der schnöden Wirklichkeit.

Das ist ungefähr so, wie wenn man Herbert Grönemeyer als „Fortschritt“ gegenüber Johann Sebastian Bach verkaufen wollte.

In der Kunst hat es jedoch geklappt. In Ausstellungsräumen, die Filzlappen und Fettecken von Beuys präsentieren, flüstert man nur im Publikum, ähnlich wie in Kirchen. Das ist wirklich eine erstaunliche Leistung.

These Nummer sechs: Die meisten Kulturbeflissenen gehen dem ganzen Theater auf den Leim. Sie haben Angst, als Kulturbanausen dazustehen, wenn sie nicht irgendwas von „betroffen“, „ergriffen“, „verstört“ etc. angesichts der Machwerke stammeln und es sich dabei selber einreden. Wer beim Anblick einer der oben bereits erwähnten Zielscheibengemälde von Jasper Johns irgendein relevantes ästhetisches Erlebnis hat, das er nicht beim Anblick einer echten Zielscheibe auch haben kann, der möge bitte hervortreten.

Fazit: Kunst als eine kollektive gesellschaftliche Institution ist mausetot. Damit Kunst gedeihen kann, braucht sie nicht nur einen Resonanzraum, sondern echten Bedarf. Zu ihren großen Zeiten, damit meine ich die Renaissance und den Barock, wurde sie gefordert von der Kirche und dem Adel. Mit deren Entmachtung blieb die Kunst sich selbst überlassen, und die „freie Kunst“ entstand, und mit ihr das Bild des romantischen Künstlers, das bis heute die Köpfe regiert.

Heutzutage ist Kunst aus der Öffentlichkeit verschwunden. Selbst von der Dokumenta liest man nur noch, wenn dort irgendwelche antisemitischen Details in Bildern entdeckt werden. Wer kennt heute noch einen zeitgenössischen Maler von Rang und Namen? Wer hat schon mal ein zeitgenössisches Bild gekauft? Zwar gibt es immer noch diese Veranstaltungen und Messen wie Art Basel, Biennale in Venedig etc. Aber ich habe die Vermutung, dass es sich dabei eher um eine Art Börse handelt als um eine öffentliche Show zum Stand einer lebendigen Kunstszene.


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