Israel hat sich in eine Sackgasse gefahren

Es war klar, dass nach dem Massaker vom 7. Oktober Israel reagieren musste, und zwar massiv. Das Problem ist allerdings, was das Ziel dieser Reaktion sein könnte. Der erste Gedanke war natürlich, die Hamas zu eliminieren, was nahe liegt. Nur: dieses Ziel scheint gar nicht erreichbar zu sein, und das hätten die Israelis auch vorher wissen können. Die Hamas ist wie eine Hydra: Wenn man einen Kopf abschlägt, wachsen zwei neue nach. Dann fragt sich, wann und mit welchem Ergebnis die Operation im Gazastreifen beendet werden soll. Mir scheint, dass hier auf israelischer Seite eine gewisse Kopflosigkeit herrscht, dass kein konkreter Plan existiert, wenn die Hamas sich nicht auslöschen lässt.

In dieser Situation werden die Lebensgrundlagen der Palästinenser zerstört, der ganze Streifen unbewohnbar gemacht. Man muss sich vor Augen halten, dass der Gazastreifen eigentlich eine riesige Stadt mit ca.  2 Millionen Einwohnern ist, die dort eingesperrt sind. Die Bevölkerungsdichte ist um die Hälfte höher als in Berlin. Weder Strom noch Wasser noch Nahrungsmittel können sie selber bereitstellen.

Der amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer beschreibt den derzeitigen Zustand Gesamtisraels als ein Apartheidregime, mit dem jüdischen Kernland und den zwei arabischen Regionen Westjordanland und Gaza. Das Westjordanland ist dabei auch ungefähr zur Hälfte jüdisch kontrolliert, vor allem die Verkehrswege, und die Araber leben dort in diversen kleineren Enklaven. Mearsheimer, der der Schule des sogenannten Neorealismus angehört – eine Schule, die die internationalen Beziehungen vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Machtinteressen betrachtet, vermutet, dass Israels Kriegführung in Gaza eine Strategie des Ethnic cleansing, der sogenannten „ethnischen Säuberung“ verfolgt. Man will Gaza quasi unbewohnbar machen, und die Araber daraus vertreiben. Das Problem ist natürlich, dass diese Araber gar keine Ausweichmöglichkeiten haben. Denn weder Jordanien, noch Ägypten, noch Syrien noch Saudi-Arabien sind bereit, auch nur einen von ihnen aufzunehmen. Mir liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Araber den Gazastreifen dennoch verlassen haben und wohin. Aber es können nur wenige sein.

Das bedeutet, dass, wenn Israel tatsächlich eine solche Strategie verfolgte, würde sie scheitern ebenso wie seine Anstrengungen, die Hamas zu eliminieren.  

Ein anderer Aspekt ist, dass Israel mit seiner Vorgehensweise sein Ansehen in der westlichen Welt komplett ruiniert. Bisher galt das Land als moralisch unantastbar aufgrund der Vergangenheit des jüdischen Volkes und der ewigen Erzählung, dass es sich um die einzige Demokratie im Nahen Osten handele, aber dieser Bonus wird derzeit komplett vergeigt, und das wird sich auch nicht wieder reparieren lassen. Selbst die ewige Schutzmacht USA beginnt, kritisch zu werden.

Das ist eine ganz miserable strategische Situation für Israel, denn das letzte, wozu Kriegsparteien, die in gegnerisches Territorium einmarschieren bereit sind, ist, dass sie die Aktion abbrechen und dabei zugeben, dass sie nichts von dem erreicht haben, was sie wollten, aber erst einmal ein Land in Schutt und Asche gelegt und Zehntausende Menschen umgebracht oder verstümmelt haben.

Wie hätte Israel reagieren sollen? Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls hat Israel eine Option gewählt, die dem Land auf die Füße fällt.




















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