Zur Zeit bin ich auf Europatournee. Im Klartext: Ich begleite eine Roadshow in fünf Ländern, und bis gestern war ich drei Tage  in Wien. Das Zentrum der Stadt ist absolut fantastisch mit seinen vielen Monumental- und Repräsentativbauten, wie jeder weiß, und nicht weit vom Kern der Stadt, auf der Donauinsel entsteht derzeit etwas ganz anderes. Gemeint ist das Donau City Projekt. Das ist ein Areal, auf dem ein gewissermaßen futuristisches Städtebaukonzept realisiert wird. Es besteht aus Wolkenkratzern, die teils zum Wohnen und teils zur Arbeit dienen. Der Autoverkehr ist großenteils in den Untergrund verbannt, er findet statt in Höhlensystemen mit dem Flair von Parkhaustiefgeschossen. Die Oberfläche ist für Fußgänger und Radler reserviert, die beinahe verloren auf unbelebten Plattenebenen  herumeilen. Glas, Stahl, Granit. Und das in Dimensionen, die alles erschlagen. Menschliche Maßstäbe werden zertrümmert, die Gebäude sind wie riesige Machtgesten gegenüber dem Individuum, welches vollkommen annihiliert wird. Natur wir allenfalls noch zitiert, in streng geschnittenen Buchsbaumsträuchern, die sich der rechtwinkligen Ordnung zu fügen haben. Es ist eine menschenfeindliche, eine lebensfeindliche Umgebung. Aus ihr ist alles eliminiert, was ungebunden ist, woraus etwas wachsen kann jenseits der Kontrollphantasien der Planer. Dasein wird reduziert auf Wohnen – das ist die Erhaltung des Vorhandenseins -und Geldverdienen. Und Geld ist die Sprache, welche diese Architektur einzig spricht. Sie gibt sich teuer und edel. Die Rezeptionen der Hotels sind mit Marmor ausgestattet, die Lounges mit extravagantem Mobiliar. Hier darfst du an dem Gefühl schnuppern, dass du dazugehören kannst, und dass man für ein, zwei Nächte so tut, als gehörtest du dazu. Das Personal der Hotels behandelt dich, als wärst du ein Spitzendiplomat oder Kaiserin Sissi, und du weißt, dass es eine Farce ist. Du weißt es, und das Personal weiß es auch.

Und es offenbart sich die gesamte Eindimensionalität dieser Konzeption. Architekten verstehen sich oft gerne als Vorreiter der Zukunft und fühlen sich nicht selten kompetent in der Frage, wie wir zu leben hätten, obwohl sie natürlich über keinerlei Kompetenz in dieser Sache verfügen – im Gegenteil – ohne es vielleicht zu ahnen, machen sich moderne Architekten gerne zu Komplizen unmenschlicher, freiheitsfeindlicher und totalitärer Visionen.

Die Ingredienzien dieser Ästhetik sind ein kalter Glanz und Funktionalität. Hochwertigkeit der Materialien wie Marmor, Edelstahl und beschichtetes Glas, arrangiert mit einer gewissen Extravaganz, das suggeriert den Flair von Luxus. Und dieser Anschein von Luxus, das ist das ganze Versprechen, der ganze Lohn, den dieses Konzept anzubieten hat.

Schaffst du es im Rahmen dieser Vorgaben zu einer Karriere, dann bist du WER , andernfalls bist du niemand.


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