Die Ethik von Jesus

Wem geht es noch so wie mir? Wer findet die ethischen „Vorschläge“ aus der Bergpredigt nicht auch sonderbar, unverständlich und regelrecht weltfremd? Ich meine diese hier:

„Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.

Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.

Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei.“ (Mt 5,39-41)

In der Welt, in der WIR leben, ist ein solches Verhalten widersinnig, und führt zu nichts anderem, als dass man von morgens bis abends ausgenutzt wird und hinter dem Rücken ausgelacht.

Um den Sinn dieser Anweisungen nachvollziehen zu können, muss man erst einmal verstehen, dass Jesus und die jüdische Welt, in der er sich bewegte, ein völlig anderes „metaphysisches Interpretationssystem“ hatten. Damit ist folgendes gemeint:

In der Vorstellungswelt dieses Volkes jener Zeit waren die irdische Sphäre und damit auch die Antriebe und das Verhalten der Menschen vollkommen beherrscht und bestimmt durch böse Dämonen und Kräfte. Dem Einfluss dieser Kräfte nachzugeben ist das, was in der Tradition als „Sünde“ bezeichnet wird. Und durch diese Sünde (erstmalig begangen von Adam) ist der (physische) Tod erst in die Welt gekommen. Hätte Adam nicht gesündigt, so der Glaube, dann wären die Menschen immer noch gottgleich und unsterblich.

Für Jesus ist nun jegliche Geisteshaltung, die auf Vergeltung dringt, die am Besitz festhält, die Eigensinn beinhaltet (vgl. die drei Beispiele oben) bereits die Folge des Einflusses böser Dämonen und verurteilt zum Tode. Einzig die bedingungslose Hingabe an den gnädigen, gütigen Gott Vater, den Jesus sozusagen neu definiert hat (im Unterschied zum Gott des Alten Testaments) überwindet die dämonischen Kräfte in uns und die Sünde und damit schließlich den Tod. Die Hingabe an Gott = der Glaube an Jesus Christus ist daher das Tor zum ewigen Leben, und zwar in ganz konkretem Sinn. Am Tag des Jüngsten Gerichts, den Jesus in kürzester Frist erwartete, werden diejenigen, die nach ihrer Umkehr sündlos geblieben sind, ins ewige Leben geholt, die anderen der ewigen Verdammnis überantwortet. Das war die ganz konkrete Vorstellung, und ihre Einzelteile sind in die spätere Dogmenbildung eingegangen.

Entscheidend ist jedoch der Dämonenglaube. Jesus betätigt sich an vielen Stellen in den Evangelien als Exorzist, der vom Vater die Kraft bekommen hat, die Dämonen zu besiegen. Das Reich Gottes, dessen Heranbrechen er verkündet, besteht im Sieg über die Dämonen und damit schließlich über den Tod.

All diese Vorstellungen muss man erst einmal sacken lassen als das Wirklichkeitsverständnis von Jesus und seiner Welt. Und JETZT ergeben diese Anweisungen Sinn: Sie sind keine „ethischen“ Weisungen in dem Sinne, dass hier jemand einem anderen Gutes tut, sondern sie sind Beispiele für die Zurückweisung dämonischer Einflüsterungen, mit dem einzigen Ziel, die eigene Seele für das ewige Leben zu retten. Das ist der Weg, den Jesus weist. Das ist auch der Sinn der Liebesgebote

„»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«  In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt 22, 37-40)

Du sollst sein wie Gott. Seid vollkommen, wie Euer Vater vollkommen ist. Das ist das Angebot Gottes, dem Tod zu entrinnen.

Vielleicht wird dem einen oder anderen jetzt klarer, was er da im Glaubensbekenntnis so vor sich hinmurmelt:

„Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.“


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