Als ich damals aus der Kirche ausgetreten bin – ich war so um die dreißig – da rief ich in meiner Kirchengemeinde an, um mich nach dem Verfahren zu erkundigen – und bekam kurz danach einen Rückruf, von einem vermutlich pensionierten Pfarrer, der mich meinen Entschluss noch einmal überdenken lassen wollte. Es folgte ein ca. 2-stündiges freundliches Gespräch, in dem ich meine Gründe darlegte, aber schließlich war er mit seinem Latein komplett am Ende, als ich ihn mit 1. Kor. 15.12 konfrontierte, wo es heißt:
„Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferweckt ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; dann sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“
Der Punkt ist, dass bei Paulus, ebenso wie bei Jesus und Johannes dem Evangelisten Auferstehung, Gericht und ewiges Leben keine innerweltliche Metapher ist, sondern glasklare Faktizität. Das ist für heutige Theologen eine Peinlichkeit und sie versuchen sich wie Aale da herauszuwinden (zumindest die protestantischen). Der nette Pfarrer damals war auch am Ende seiner Argumente, denn er wollte sich nicht dazu durchringen, mich aufzufordern, dass ich glaube, das reale ewige Leben zu gewinnen, indem ich an Jesus Christus glaube. Denn er glaubte es selber nicht. Dachte ich’s mir.
Und doch: Das IST der Inhalt des christlichen Glaubens, wie es im Glaubensbekenntnis aller Konfessionen ausgesprochen ist, aber die gegenwärtigen Theologen ziehen den Schwanz ein, versuchen es wegzunuscheln oder am besten ganz unter den Tisch fallen zu lassen.
Ich sitze auf kiloweise dogmatischer Literatur und diesbezüglichen Lehrwerken, die ich durchforste, und wenn es um Auferstehung und ewiges Leben geht, beginnt das große Geeier. Tatsächlich aber ist es der Kern des christlichen Glaubens.
Wozu baute man Kathedralen, wenn die gesamte Botschaft von Jesus darin bestünde, ein netter, hilfsbereiter Kerl zu sein?
Der Tod ist das Thema der Religion, und zwar der wirkliche. Nicht eine innerweltliche Metapher davon.
In einer richtigen Religion stehen Sterblichkeit und Tod im Zentrum, im ganzen realen Ernst. Sie kann noch so viele sonderbare Vorstellungen dazu hervorbringen, wie Auferstehung, Wiedergeburt, Unterwelt, himmlisches Paradies etc., aber sie nimmt ihn ernst.
Moderne Theologen nehmen den Tod nicht ernst. Denn sie können es nicht mehr. Sie haben nicht mal die geistige Kraft, sich ihre eigene Sterblichkeit zu vergegenwärtigen.
Sterben, das tun immer nur die anderen. Und als Pfarrer kann man dann am offenen Grab salbungsvolle Phrasen absondern, die man notfalls aus dem Internet gezogen hat.
Paulus war aus anderem Holz. Er hatte schon als junger Mann begriffen, was es bedeutet, sterben zu müssen. Er glühte vor Verlangen nach dem ewigen Leben.
Eine Religion, deren Repräsentanten sich nicht mehr trauen, die Kernaussagen zu vertreten sondern sich um sie herumdrücken, muss sich nicht wundern, wenn die Menschen in Scharen aus der Kirche fliehen. Wobei die meisten diese Kernaussagen vermutlich noch nicht einmal kennen.
Denn das Christentum ist nicht, wie es sich selbst seit frühester Zeit dargestellt hat, eine Religion der Vernunft oder gar eine philosophische Religion, sondern es ist eine mythische Religion, voller Unauflöslichkeiten und dem Verstand unverständlichen Geheimnissen. Der große Theologe und Religionshistoriker Adolf von Harnack schrieb, dass Unverständlichkeit zu den Charakteristika des Göttlichen und Heiligen gehört. Die Menschen wollen es so. Das Knie beugt sich umso tiefer, je unverständlicher und rätselhafter ein Ritus, ein Kult, ein Dogma ist. Das Christentum hat hier viel anzubieten: Erlösung von den Sünden durch Glauben an Jesus Christus, Reich Gottes, Abendmahl, Auferstehung, jüngstes Gericht, Trinität und noch so viel mehr.
Was immer wir vom Christentum halten mögen: Machen wir uns glasklar, was seine Glaubensinhalte sind. Die eigentlichen. Nicht das weichgespülte feige Gewäsch von Margot Käßmann über Bedford-Strohm bis Annette Kurschus.
Dann verstehen wir wieder ein bisschen besser, was es mit unserer eigenen kulturellen Identität auf sich hat.
Das kann einen ganz schön durcheinander bringen, das sage ich euch.
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