Worum geht es eigentlich in der Kunst?

Die einfache Antwort wäre: in der klassischen Kunst geht es um das Schöne, und in der modernen um sie selbst.

Worum es nicht geht: „Was uns der Künstler damit sagen will“.

Künstler haben nämlich keine tieferen metaphysischen Einsichten, keine Botschaft, keinen privilegierten Zugang zu irgendeiner Wahrheit, und wenn sie es dennoch selber glauben, dann haben sie in der Regel einen an der Waffel.

In der klassischen Kunst, damit meine ich die Zeit von der Frührenaissance ab ca. 1420 bis zum Ende des 19. Jhd., hat man folgendes getan: Man hat biblische Geschichten illustriert oder antike Mythen, Ansichten von Leuten, Städten oder Landschaften abgebildet oder ansprechende Arrangements von häuslichen Szenen oder Sachen (Stilleben). Einige Maler waren bemüht, ihre Bilder mit ihrer persönlichen Betroffenheit aufzuladen, wie zum Beispiel Rembrandt, der wohl den Gipfelpunkt an tiefer Emotionalität in der Darstellung biblischer Szenen darstellt. Auch die Romantiker transportierten in ihren Bildern oft ein Lebensgefühl, das von einer starken, dabei unerreichbaren Sehnsucht getragen war. Rubens dagegen, nach Leonardo wahrscheinlich der intelligenteste Maler der Geschichte, der hunderte Bilder religiösen Inhalts malte, war selbst wenig bekümmert um die christliche Botschaft. In seinem Herzen war er eher ein fröhlicher Heide, und hat dennoch die ergreifendsten Szenen vom Höllensturz, vom jüngsten Gericht, vom Kindermord von Bethlehem und so weiter gemalt. Bei Michelangelo war es wenig anders. Er wollte auf der Sixtinadecke die Wucht des Alten Testaments zur Geltung bringen, ganz unabhängig davon, was sie für ihn persönlich bedeuteten.

Und eine Landschaft ist nur eine Landschaft. Meister wie Claude Lorrain haben es allerdings vermocht, ihnen den Zauber, die Atmosphäre des frühen Morgens einzuschreiben, diesen geheimnisvollen Duft, der Ahnung, freudige Erwartung und Sehnsucht auslöst. Andere, wie Jacob van Ruisdael, malten Landschaften wie Sinnbilder der menschlichen Existenz. Menschliches Treiben in seiner Verlorenheit und in seiner Verwiesenheit auf Gott.

Das ist ergreifend und nur mittels der absoluten Meisterschaft dieser Männer gelingt der Transport dieser Stimmungen.

Von einer „Botschaft“ ist dennoch keine Spur. Wir kennen und  wissen das alles selbst. Im Falle von Lorrain kann diese Qualität seiner Bilder niemand erkennen, der nicht in der wirklichen Welt bereits von den Stimmungen ergriffen war, die er in seinen Bildern so meisterhaft wiedergibt.

Man kann hier weitermachen mit der trivialen Symbolik des Memento mori oder eines Carpe diem, wie sie in vielen Stilleben des sogenannten Goldenen Jahrhunderts in Holland üblich waren. Die Maler bedienen sich mit geschälten Zitronen, ausgeblasenen Kerzen, Totenschädeln, umgestürzten Weinkelchen und dergleichen einfach einer allgemein vertrauten Symbolik, die an Vergänglichkeit und Sterblichkeit erinnern. Keine weitere Botschaft.

In dieser Malerei geht es nicht um Inhalt, sondern um die Ästhetik. Echte Kunstwerke weisen etwas auf, das man als ästhetische Grammatik bezeichnen könnte. Jenseits der Gegenstandsebene gestaltet der Maler ein Arrangement der Formen und Farben, das im dafür empfänglichen Menschen ein tiefes und dauerhaftes Wohlgefühl auslöst, das sich nicht abnutzt. Dieses Sich-Nicht-Abnutzen unterscheidet Kunst zum Beispiel von Werken, die mit Knalleffekten arbeiten, etwa die Werbung oder viele Werke aus dem Bereich der Illustration.

In uns ist das geheimnisvolle Sensorium für „das Schöne“ angelegt, und es ist überhaupt nicht klar, was es damit auf sich hat.

Dass das Schöne eine Grammatik, oder diverse Grammatiken hat, das haben viele Künstler realisiert und in ihrem Werk verwirklicht. Aber das ist ein Thema, das ich an anderer Stelle noch einmal aufgreifen werde.

Die Regeln des Schönen entnehmen die Künstler der Anschauung der Natur.

Schönheit in der Natur ist keine Fiktion der menschlichen Wahrnehmung, sondern eine Gegebenheit, eine Realität, deren sich der Mensch bewusst wird, der sie erlebt.

Aber das ist ein anderes Thema.

Das Thema hier ist, dass  Kunst keine Einsichten  vermittelt, über die ein sensibler, gebildeter Mensch nicht selbst schon verfügt.

Soweit zur klassischen Kunst.

Die moderne Kunst, ab den späten Jahren des 19. Jhd., beschäftigt sich dagegen hauptsächlich mit sich selbst.

Die mühsam erworbenen Erkenntnisse und Ordnungen der klassischen Malerei werden niedergerissen und zerstört, gleichzeitig wird das Prädikat „Kunst“ mit seiner quasireligiösen Qualität eitel beansprucht.

Moderne Künstler beziehen sich zu großen Teilen auf ihre Vorgänger und wenig auf das Leben oder die Natur, und dementsprechend sind auch die Kunstgeschichten völlig leer von irgendwelchen Erläuterungen, worum es den Künstlern des 20. Jhd. eigentlich ging. Es ging ihnen in der Regel um nichts.

Ein leeres Theater, ein Spiel mit der menschlichen Neigung, Sinn hineinzudichten in Angelegenheiten ohne Sinn, oftmals angetrieben von einem Bestreben, im Prozess der Auflösung kultureller Strukturen noch einen Schritt weiter zu gehen.

Der moderne Künstler tritt gerne mit dem Anspruch auf, das ästhetische Gesetz, oder die Ausdrucksweise des Sinns aus sich selbst zu erschaffen, gleichsam aus dem Boden zu stampfen. Das ist allerdings vollkommen dämlich und weltfremd.

Der Künstler bedient sich entweder der ästhetischen Sprache der Natur, oder er wird zum Narr. Es gibt keine Privatästhetik, keine ästhetische Privatsprache, die sich jemand ausdenken kann.

Der Glaube daran existiert nur deswegen, weil es einen Markt gibt, der mit gegenseitiger Bestätigung und hohen Preisen sicher stellt, dass gewisse moderne Kunstwerke unglaublich wertvoll sind.   


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